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Sieben Fragen an Jörg Weber (ECOreporter GmbH)

Jörg Weber, Journalist und Volljurist, ist Chefredakteur von ECOreporter.de. Die von ihm 2001 gegründete ECOreporter GmbH mit Sitz in Dortmund hat ein einziges Geschäftsfeld: unabhängigen Journalismus zum Thema nachhaltige Geldanlage. Publikationen des Verlags sind das Internetportal ECOreporter.de, der wöchentlich zwei Mal erscheinende ECOreporter.de-Newsletter und das gedruckte ECOreporter-Magazin. Jörg Weber hat das journalistische Handwerk bei Tageszeitungen gelernt, war später Wirtschafts- und Umweltautor bei „Die Woche“ und schrieb beispielsweise für Spiegel Spezial und das Süddeutsche Zeitung Magazin. 1995 wechselte er in den Fernsehjournalismus und war bis 2001 bei der ARD für verschiedene Magazinsendungen tätig, unter anderem für ARD Ratgeber Recht und PlusMinus. Sein Buch „Die Erde ist nicht Untertan“ gewann den renommierten „Deutschen Umweltpreis für Publizistik“. Mit der Firma ECOeventmanagement veranstaltet Weber seit 1999 die „Grünes Geld“-Messen bundesweit in verschiedenen Städten. Für fairzinsung beantwortete Jörg Weber die folgenden Fragen.

Herr Weber, gerade hat die Bayer AG eine turbulente Hauptversammlung hinter sich, da kommt schon der nächste Schlag ins Kontor: eine weitere Milliardenklage gegen Monsanto. Auch VW und Audi kämpfen nach wie vor mit den Folgen des Dieselskandals. Unsere Frage an Sie als Juristen: Warum lernen deutsche Konzerne nicht aus der Vergangenheit, sind Sie von ihren eigenen Juristen unzureichend beraten worden?

Ich vermute, dass VW die Hausjuristen nicht eingeweiht hatte. Bei Bayer werden die Juristen das Risiko aber beurteilt haben. Ich denke, sie werden der Bayer-Vorstandsetage recht präzise mitgeteilt haben, welche Strafzahlungen auf das Unternehmen zukommen werden. Und dann wird der Vorstand entschieden haben: Das lohnt sich trotzdem. Denn es spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass Bayer nicht trotz, sondern dank Monsanto Gewinne machen wird. Verrückt, oder? Dass Bayer an Reputation verloren hat, wen stört es? Und wir werden sehen, ob das im Ausland überhaupt so sein wird. Das zeigt den eigentlichen Fehler im System. Der ist ja nicht, dass Bayer Monsanto kauft. Sondern dass unser Rechtssystem und die Gesetze vieler anderer Staaten und der EU es zulassen, dass Monsanto mit seinen Produkten überhaupt Geld verdienen kann. Die Politik hat sich einwickeln lassen und handelt mit ihrer laxen Umweltgesetzgebung gegen das Gemeinwohl. Wenn die Politik Monsanto-Produkte verbieten würde, würden wir nicht über Bayer sprechen.

„Es gibt seit Jahrzehnten Journalisten, die über den Klimawandel schreiben und die warnen.“

Seit kurzem wird öffentlich die Frage gestellt, warum es nicht auch eine Bewegung „Journalists for Future“ gebe, entsprechend den „Fridays for Future“ und „Scientists for Future“. Was sagen Sie als Pionier des Umweltjournalismus dazu: Müssten Journalisten nicht sowieso vornewegmarschieren beim Thema Klimaschutz?

Interessante Frage. Ich habe hier meine Archivordner aus den Achtziger Jahren. Da sind schon jede Menge Beiträge über die Klimakatastrophe enthalten, in ganz normalen Tageszeitungen und Magazinen. Im Regal hinter mir stehen Bücher aus den neunziger Jahren zum Klimawandel. Vor fünfzehn Jahren habe ich eine Ausstellungspublikation schreiben dürfen, für das Deutsche Museum. Thema: Klimawandel. Von daher: Es gibt seit Jahrzehnten Journalisten, die über den Klimawandel schreiben und die warnen. Natürlich, Journalisten könnten mehr tun. Und sie müssten selbst mehr über den Klimawandel erfahren. Ich habe lange überlegt, ob wir einmal eine Fortbildung für Autojournalisten anbieten. Damit die etwas besser einschätzen können, was es bedeutet, wenn sie schreiben, neun Liter Verbrauch für ein SUV mit zwei Tonnen Gesamtgewicht seien durchaus angemessen. Letztlich habe ich mehr über Finanzierung Erneuerbarer Energie geschrieben… Ich finde die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Erneuerbare-Energie-Verbände sehr enttäuschend. Wenn diese Verbände einmal kreativ würden und vielleicht auch besser finanziert würden, dann könnten sie Fakten liefern, die den Redaktionen beim Thema Klima helfen würden. So eine erfolgreiche, tolle Branche – so derart einfallslos bei publizistischem Gegenwind! Wir lesen doch nahezu jede Woche, dass sauberer Strom teuer ist und Arbeitsplätze kostet. Falsch, klar! Aber wo sind die großen Windanlagenhersteller, wenn es darum geht, solchen Fake News in den Medien entgegenzutreten? Ich sehe sie leider nicht.

Mit ECOreporter berichten Sie über das Thema nachhaltige Geldanlage. Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung dieses Marktsegments ein?

Es wird hoffentlich wieder mehr kleine und mittlere nachhaltige Anbieter geben. Da hat es in den letzten Jahren ja eine, teilweise auch nötige, Marktbereinigung gegeben. Bei den großen Fondsanbietern sieht man einen starken Trend dazu, das Thema Nachhaltigkeit in der Werbung hervorzuheben. Das Problem für den Kunden ist: Echte Nachhaltigkeit und Greenwashing sind schwierig zu unterscheiden. Bei einem großen Teil der Finanzkonzerne muss man einfach sagen: Die sind beim Thema Nachhaltigkeit 20 Jahre hinter Technologiekonzernen zurück!

„Wir prüfen vor allem, ob in einem Produkt das steckt, was der Anbieter verspricht.“

Nachhaltig ist nicht gleich nachhaltig: Welche Kriterien legen Sie bei einem Anlagecheck zugrunde?

Das richtet sich nach der Produktart. Bei unseren Fondstests prüfen wir beispielsweise über 100 Punkte pro Fonds. Bei Anleihen und Nachrangdarlehen ist es ähnlich. Aber das Prüfraster bei einem Aktienfonds ist natürlich ein ganz anderes als das einer Solaranleihe. Wir haben nun 20 Jahre Erfahrung und über die Jahre immer ausgeklügeltere Prüfmethoden, das hilft uns. Leitlinie bei uns ist: Es gibt keine allgemeine Nachhaltigkeit. Der eine findet Tierversuche wichtig, die andere nicht. Für beide gibt es nachhaltige Finanzprodukte, die zu den individuellen Ansprüchen passen. Also prüfen wir vor allem, ob in einem Produkt das steckt, was der Anbieter verspricht.  Wenn er sagt, er schließe Investitionen in Waffen, ausbeuterische Kinderarbeit und Atomenergie aus, dann bohren wir nach, ob er das wirklich tut.

Müsste die Politik stärkere Anreize schaffen für nachhaltiges Anlegen, und wie könnte das Ihrer Meinung nach aussehen?

Die Politik muss endlich verstehen, dass es eine völlig falsch verstandene Art der Freiheit ist, wenn man Geld verdienen kann, indem man die natürlichen Lebensgrundlagen Stück für Stück zerstört, vom Bienensterben bis zum Klimawandel – und damit Gewinne macht. Wenn die Politik beim Umweltschutz ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen würde, das Gemeinwohl und das Wohl künftiger Generationen zu sichern, bräuchten wir keine Anreize für nachhaltige Geldanlagen.

„Trotzdem ist mein ökologischer Fußabdruck wahrscheinlich größer als der meiner Großeltern.“

Wie sind Sie eigentlich damals auf das Thema Nachhaltigkeit aufmerksam geworden?

Durch Journalisten wie Horst Stern, der in Büchern und im Fernsehen tolle Dokumentationen geboten hat, hoch spannend – da war manchmal die halbe Nation vor dem Fernseher. Na gut, es gab auch nur drei Programme.

Achten Sie selbst in Ihrem privaten und beruflichen Alltag auf nachhaltige Wirksamkeit, und wo kommt das zum Tragen?

Ich achte darauf, klar. Ich trage Kleidung und Schuhe möglichst lange, lasse sie wenn nötig von einem nahen Schneider oder Schuster bearbeiten, wir essen so es irgend geht „bio“ und so weiter, ich fliege vielleicht ein Mal alle drei Jahre. Vom Heizen bis zum Garten habe ich das Thema im Kopf, ich finde das gut und spannend. Trotzdem ist mein ökologischer Fußabdruck wahrscheinlich größer als der meiner Großeltern.

Die fairzinsung-Redaktion bedankt sich bei Jörg Weber für seine ausführlichen Antworten und dass er sich die nötige Zeit dafür genommen hat. Die Fragen stellte Bodo Woltiri.

Kontakt zu Jörg Weber: E-Mail weber@ecoreporter.de

Infos zu ECOreporter: www.ecoreporter.de

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